25 Jahre Positive Records: "Diese ganze Intoleranz geht mir auf den Keks" (Teil 1)

Positive Records feiert 25jähriges Jubiläum. Backs, die One-Man-Show hinter dem Konzertveranstalter aus dem Ruhrpott, blickt mit uns zurück auf seine Anfänge in Dorsten, erzählt was eigentlich hinter dem Namen Positive Records steckt und warum es nie zum Plattenlabel gereicht hat.
Ein Mann, eine Frisur, ein Gesichtsausdruck: Backs erkennt man. Wer im Ruhrpott oder Köln regelmäßig auf Hardcore-, Punk- oder Metal-Konzerten geht, der kennt den grimmig guckenden Glatzkopf am Eingang, der eigentlich ganz lieb ist. Sein schwarzer Hoodie mit der Aufschrift „Positive Records“ ist zum Markenzeichen geworden – in doppelter Hinsicht. Positive Records wurde am 1. Juli 1992 in Dorsten gegründet. Seit 25 Jahren veranstaltet Backs nun Konzerte. Früher nur im Ruhrpott, heute in ganz NRW. Aus diesem Anlass haben wir uns mit ihm unterhalten.
GETADDICTED: Hallo Backs, wie fühlt man sich mit 25 Jahren?
Backs: (lacht) Ich fühle mich gar nicht so alt, wie ich wirklich bin. Durch den Job, den ich mache, hab ich ja fast nur mit Jüngeren zu tun: jüngere Musiker, jüngere Techniker, jüngere Gäste, jüngere Mitarbeiter.
GETADDICTED: Positive Records hat sogar Mitarbeiter? Es sieht immer nach einer One-Man-Show aus.
Backs: Nee, leider nicht. Ich nenne es eher Crew! Es sind halt die Bock drauf haben mitzuhelfen und mache es für Nüsse! Kann es mir leider nicht leisten, aber die wissen auch, dass ich nicht auf großen Fuß lebe! Ich könnte es mir auch gar nicht leisten, woanders als in Dorsten zu wohnen. Mein Umzug in das Haus kann ich mir z.B. nur leisten, weil das Haus meiner Schwester gehört und ich nur ganz wenig mehr zahle als bisher! Mal Glück gehabt! Was ich in Dorsten für ein Lager zahle, dafür bekomme ich in Köln nur ne kleine Garage. (grins)

Alte Positive-Records-Flyer 1997 bis 2000, Fotos: Backs / Positive Records

Alte Positive-Records-Flyer 1997 bis 2000, Fotos: Backs / Positive Records

GETADDICTED: Verstehe. Wie kommt man denn in Dorsten mit Punk oder Hardcore in Berührung?
Backs: Eigentlich bin ich erst ein bisschen beim Metal reingerutscht. Am Anfang durch Arbeitskollegen, weil die einfach viel Metal gehört haben. Ich hab damals auffa Zeche als Elektriker gearbeitet. Anschließend fand ich Crust- und Grindcore ganz gut und darüber bin ich dann an Hardcore gekommen. Und so ist das dann halt passiert.
GETADDICTED: Wenn du ehrlich bist: Eigentlich denken die Leute bei Positive Records doch erst einmal an einen Record Store, oder?
Backs: (grinst) Natürlich, so hat das ja auch alles angefangen. Ich hab als Label angefangen, aber nebenbei habe ich hier und da mal kleine Shows veranstaltet. Richtig im „Musikbereich“ angefangen habe ich aber als „Manager“. Kumpels von mir hatten in den 80ern eine Thrash-Metal-Band und mit denen war ich auf Tour. Damals hatte ich natürlich Null Ahnung davon. Ich war gerade erst in der Lehre als Elektriker auffa Zeche.
GETADDICTED: Einen Positive Records Store gab es also nie?
Backs: Richtig. Ursprünglich gegründet wurde Positive Records, weil ich schlechte Erfahrungen mit einem Label gemacht habe, die Thrash-Metal-Band wurde damals fast über den Tisch gezogen und dann habe ich mich entschieden, ein eigenes Label zu gründen. Der Name „Positive Records“ kommt auch daher, weil ich mir damals gesagt habe, dass ich das alles anders machen will – es war so 1992 rum.
Andere Kumpels von mir hatten damals so eine Grindcore-Band, die poltischen Grindcore gemacht haben, wie Extreme Noise Terror oder Napalm Death, und die hatten Kontakt zu Impuls Manslaughter aus Chicago. Die waren ganz ganz früher eine der ersten Bands auf Nuclear Blast und die habe ich damals geliebt. Die beiden Bands wollten damals eine Split-EP herausbringen und ich dachte mir, dass das mit Implus Manslaughter bestimmt funktionieren wird (Anm. d. Red. Es war die „No War Split“-EP von Provocation/Implus Manshlaughter, Quelle: wikipedia). Natürlich habe ich davon dann viel zu viele Platten gepresst und auch ein Heiden Geld dabei verloren. Ich hatte ja keine Ahnung und das war gerade, als alle von LPs auf CDs umgestiegen sind. Mir haben damals echt Leute gesagt: „Ich würde die EP ja kaufen, aber ich habe gar keinen Plattenspieler mehr.“ Ich hab natürlich bis heute einen Plattenspieler.

GETADDICTED: Und aus solchen Erfahrungen lernt man dann erst einmal, richtig?
Backs: Genau. Die erste Show, die ich selbst gemacht habe, die war 1994 im Jugendzentrum HOT Rottmannshof in Dorsten. Ich bin ja Straight Edge und nach 5 Jahren Straight Edge, habe ich mir überlegt: Komm, machste mal ein Straight-Edge-Festival. Die Bands aus der Nähe habe ich einfach auf Konzerten angesprochen. Ein Band war der Vorgänger von Spawn, die in der Szene auch später relativ bekannt waren, und die haben dann die anderen beiden Bands organisiert. Eine war Feeding the Fire, wo Rob, heute Sänger von Born from Pain, mitgespielt hat und Congress aus Belgien. Ich hatte natürlich wieder Null Erwartungen und dachte mir, wenn fünzig Leute Leute kommen, dann wäre das schon cool. Am Ende waren 200 Leute da und ich habe insgesamt neun Straight-Edge-Festivals in Dosten organisiert.
GETADDICTED: Wie hast du Straight Edge für dich entdeckt?
Backs: Lustigerweise bin ich nie Straight Edge geworden, weil ich Straight Edge werden wollte. Es ist einfach so, dass ich, bis ich neunzehn Jahre alt war, einfach viel gesoffen habe. Ein Kumpel von mir hat das dann mal ein paar Monate ausprobiert. Ich habe mir das angeguckt und auch beschlossen, einfach mal alles sein zu lassen. Dieses Grenzen setzen fande ich für mich persönlich so gut, dass ich einfach dabei geblieben bin.
Links: Backs Geburtstag 2009 in der Matrix, rechts der Beweis, der er nie anders aussah. Fotos: privat

Links: Backs Geburtstag 2009 in der Matrix, rechts der Beweis, der er nie anders aussah. Fotos: privat

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
GETADDICTED: Bei dir kam die Motivation, Straight Edge zu leben, also gar nicht aus der Musikszene?
Backs: Ein bisschen schon, aber eher wenig. Diese Einstellung habe ich schon mit den Jahren übernommen. Ich mag diese Intoleranz aber auch nicht – jeder soll es doch machen wie er will. Diese ganze Intoleranz geht mir auf den Keks. Die Diskussionen ums Veganer sein hab ich in den 90ern schon führen müssen. Wenn Bands meinen, dass Nicht-Straight-Edger Untermenschen sind, dann ist das für mich Faschismus und nix anderes. So ein Verhalten ist ja auch Quatsch. Wenn ich Leute überzeugen will, dann kann ich sie nur über meine Lebensweise überzeugen – und natürlich über Konzerte. Wenn die Leute aber nicht zum Konzert kommen (dürfen), dann kann ich sie auch schlecht überzeugen.
GETADDICTED: Also waren deine Dorstener Straight-Edge-Hardcore-Festivals nur wegen der Bands Straight-Edge-Festivals?
Backs: Nee. Was wir damals gemacht haben war, dass wir schon damals absolutes Rauchverbot hatten und eben kein Alkohol verkauft. Und es war natürlich ein Szenetreffen. Beim ersten Mal war das auch voll geil: Die lokale Presse hat vorher daran gezweifelt, ob da wohl überhaupt einer hin kommt und so – und am Ende war die Hütte halt voll. Die ersten Zuschauer, die kamen waren teilweise schon nachmittags um drei Uhr da. Das waren irgendwelche Kinder von GIs aus Frankfurt am Main, die waren sogar noch vor den Bands da. Ich habe erst gedacht, dass die die erste Band wären, weil ich Congress aus Belgien einfach auch noch nie getroffen hatte. (grinst)
https://www.instagram.com/p/BVw05hqljVL/
GETADDICTED: Wie reagiert man in Dorsten darauf, dass auf einmal regelmäßig so viele tätowierte Leute in der Stadt rumlaufen?
Backs: Die Resonanz von der Presse war eigentlich immer okay. Die Zuschauer kamen halt meistens immer von außerhalb. Ab und an kam mal jemand aus der Stadt vorbei, um sich das Treiben anzuschauen, aber das kam eher selten vor. Um das Mal zu verdeutlichen: Am Ende habe ich auf den Festivals holländische Gulden und belgische France akzeptiert. Am Eingang standen auch immer drei Preise. (grinst)
GETADDICTED: Wie lange hast du die Festivals organisiert?
Backs: Das ging alles so bis 1998. Es gab mit der Zeit immer weniger Bands, die sich als Straight-Edge-Bands bezeichnet haben und es kamen auch immer mehr so Metalcore Bands dazu. Dann habe ich das irgendwann sein gelassen.
Demnächst erscheint der zweite Teil des Interviews.