Interview mit Frank Iero 2015

Frank Iero

Kaum ein Jahr nach der herzzerreißenden Bandauflösung der Emo-Helden My Chemical Romance ging Gitarrist Frank Iero schon wieder solo seiner Wege. Wir trafen Frank auf seiner ersten Europatour zum Interview.

GETADDICTED: Wie ist es für dich, wieder in kleineren Clubs zu spielen?
Frank: Ich liebe kleine Clubs! Ich habe mich immer sehr wohl gefühlt in kleinen Clubs, in die bis zu 200 Leute reinpassen. Das ist immer sehr angenehm und gemütlich. Bei größeren Clubs gibt es dann ab einer bestimmten Anzahl an Leuten die Auflage, eine Barrikade vor der Bühne zu errichten. Dann ist es dann umso schwerer eine Verbindung zum Publikum herzustellen. Für das momentane Projekt war es einfach eine logische Konsequenz in kleineren Clubs zu starten, da ich ein sehr intimes Album geschrieben habe. Außerdem ist es ja egal, was man in der Vergangenheit schon alles geschafft hat: Sobald man ein neues Projekt startet, ist es ein Neustart.
GETADDICTED: Wie sieht es bei den Fans aus: Sind viele dabei, die dich schon vorher kannten?
Frank: Das ist ganz unterschiedlich, wirklich verrückt. Wir hatten einen Headline-Lauf in den Staaten und es waren einige, sagen wir mal, ältere Fans da. So etwa in meinen Alter, was ich als alt ansehe. (lacht) Und manche waren Fans von allem, was ich je gemacht habe, und einige mochten die alten Sachen gar nicht, aber das neue Projekt lieben sie. Dann gibt es noch die ganz jungen Fans, die vielleicht ihr erstes Konzert besuchen und es ist eine Show von mir. Das ist wirklich total verrückt. Ich habe herausgefunden, dass die ältere Fanbase die Musik weitergibt an die nächste Generation. Ich finde das großartig, denn in meiner Familie war es genauso.  Mein älterer Cousin und meine High School Freunde haben mir Mixtapes gemacht. Es wäre wirklich cool, wenn das wieder zum Standard werden würde. Diese Entwicklung finde ich wirklich aufregend. Mit meinem Vater war es genau so: Er hat mir Blues- und Rock’n’Roll-Zeug gezeigt und ich ihm dafür die angesagte, lokale Punk-Rock-Band. Er mochte meine Musik nie wirklich. (lacht)
GETADDICTED: Denkst du, deine Fans können sich mit deiner Musik identifizieren? Oder ist es schwierig eben weil sie so persönlich ist?
Frank: Das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, mit dem Songwriter bezüglich ihrer Kunst leben müssen. Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert. Jedes Mal, wenn wir ein Konzert spielen und da auch nur eine Person wartet, die die Songs in und auswendig kennt, die du einsam und allein in deinem Keller geschrieben hast, fühlt es sich an wie ein Wunder. Und bei mir sind immer Leute dabei, die ich noch nie vorher getroffen habe oder die aus einem Land kommen, in dem ich noch nie war. Ich hätte niemals gedacht, dass ich irgendwen mit den Songs erreiche, die ich in meinem Keller geschrieben habe. Ich weiß nicht, wie das passiert ist, aber vielleicht ist Musik wirklich eine universelle Sprache, die jeder versteht. Ich habe einen Song in einem Keller in New Jersey in einer fremden Sprache geschrieben und hier gibt es Leute, die sich damit identifizieren können. Vielleicht sehen sie den Song nicht genau so, wie ich ihn gesehen habe, als ich ihn geschrieben habe, aber er hat seine ganz eigene Bedeutung für sie und das zählt. Deswegen finde ich es auch falsch, meine Songs totzuerklären, weil das dem Zuhörer jegliche Chance nimmt, eine eigene Interpretation zu schaffen. In dem Moment, in dem ich einen Song veröffentlichte, ist es nicht mehr mein Song. Ab dann ist er auch dir und den anderen Zuhörern.
GETADDICTED: War es schwierig für dich, deine Songs mit der Welt zu teilen? Eigentlich hast du sie ja geschrieben und aufgenommen, damit du dich besser fühlst und nicht damit irgendwer sie hören kann.
Frank: Das ist ein Problem, das ich noch nicht so richtig lösen konnte. Ich habe das Album geschrieben, aufgenommen und das war es eigentlich für mich. Ich hatte tatsächlich nicht die Absicht, die Songs irgendwem zu zeigen. Um ein Musiker und Künstler zu sein, braucht man aber diese Art von Stolz, um den letzten Schritt zu gehen. Auch wenn du meinst, dass es dich nicht interessiert, was andere Leute über deine Musik sagen, interessiert es dich doch. Vielleicht ist es manchmal nicht so angenehm und es tut weh zu hören, was andere dazu sagen, aber das ist die Hürde, die man als letzten Schritt noch nehmen muss. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir bei den Aufnahmen zum Album nicht schon vorgestellt habe, wie es ist, sie vor Publikum zu spielen, aber es war eigentlich nicht meine Absicht, es wirklich zu tun. Was soll ich sagen? Die Musik hat ihren Weg gefunden und ich habe letztendlich zugestimmt die Songs zu veröffentlichen; als ein komplettes Album. Als es dann wirklich so weit war, dachte ich mir noch, dass ich ein paar Dinge daran ändern sollte, um es „massentauglich“ zu machen, aber das hätte gegen all meine Grundsätze verstoßen. Ich wollte die Songs so veröffentlichen, wie sie sind, weil ich an diesen Erinnerungen und an diese Zeit gerne zurückdenken wollte. Die Songs sollten so rein bleiben, wie ich sie ursprünglich aufgenommen hatte. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht war, aber ich habe sie dann wirklich so gelassen. Und jetzt habe ich dieses Projekt gestartet und die Leute erwarten vielleicht mehr als nur dieses Album davon. Ich frage mich, ob diese Erwartungshaltung zukünftige Veröffentlichungen beeinflussen wird. Dieses Mal werde ich ja wissen, dass die Leute es hören und ich hoffe nicht, dass es meine Art Musik zu schreiben in irgendeiner Weise beeinflusst. Aber wie schützt man die Kunst vor sich selbst? Das muss ich erst rausfinden.
GETADDICTED: War es seltsam, Promofotos für das Album aufzunehmen?
Frank: Oh ja! Ein guter und talentierter Freund von mir, Justin Borucki, war der erste, der professionelle Promofotos von mir gemacht hat. Er hatte früher auch MyChem-Shots gemacht. Eigentlich wollten wir nur Fotos für das Cover machen und da hatte ich schon ein paar Ideen. Dann habe ich aber das Foto gesehen, was wir wirklich benutzt haben, was von einer unglaublich talentierten Fotografin namens Heather Gabel ist. Als ich es gesehen habe, wusste ich, dass es alles ist, was mein Album braucht. Aber der eigentliche Shoot für das Cover ist sowieso als Promoshoot geendet. Es gab dabei ein paar Aufnahmen, die mich irgendwie nicht so richtig überzeugt haben, und ein paar, die wirklich großartig geworden sind. Alle diese Fotos sind an einem Tag entstanden. Ich habe ein paar Elemente mitgebracht zu dem Shooting: Den Teddybär meiner Frau, den sie hat seit, sie ein kleines Mädchen war, eine Ukulele, die ich gekauft habe, als ich in LA das Album aufgenommen habe, eine Makkaroni-Kette, die meine Kinder für mich gemacht haben, eine Flasche des Lieblingsscotchs meines Vaters und Großvaters, ein Luftgewehr, die Kaffeetasse, die meine Mutter immer benutzt hat, eine Schreibmaschine, die meinem Großvater gehörte und… Einfach so viele Dinge. Sorry, ich drifte ab. Wir nahmen also all diese Dinge und haben Fotos damit gemacht. Dann kam die Polizei… Das Gebiet, auf dem wir uns befanden, war anscheinend privat und sie drohten uns, uns alles wegzunehmen, da wir ja immerhin auch Alkohol und ein Luftgewehr vor Ort hatten. Schlussendlich mussten wir also einige Dinge verstecken und manche der Bilder zeigen sogar, wie wir vor der Polizei wegrennen. (lacht) Und für mich hat es sich dadurch auch nicht angefühlt wie ein Promoshoot. Auch weil wir ja eigentlich das Cover fotografieren wollten und keine Promofotos.
GETADDICTED: Durch das Foto sieht es auch ein wenig so aus als wäre es ein Akustik-Projekt.
Frank: Ja, oder? Lustig, dass du es sagst. Deshalb habe ich das Projekt Frnkiero And The Cellabration genannt, damit die Leute nicht denken, dass es ein Akustik-Projekt ist. Aber nachdem das Album jetzt draußen ist und die Leute die Musik kennen, finde ich ganz gut, dass das Foto und die Show verschiedene Bilder vermitteln. Die Show ist ja ganz anders als das, was das Foto vermittelt.
GETADDICTED: Es gibt einen Song auf dem Album, der „Where Do We Belong“ heißt: Weißt du mittlerweile, wo du hingehörst?
Frank: Nein. Ich weiß, zu wem ich gehöre, aber ich weiß nicht wohin. Ich weiß nicht, ob man das jemals rausfinden kann. Ich denke, manche Leute haben das sicher schon für sich herausgefunden, aber ich weiß nicht, ob ich das jemals wirklich wissen werde. Schlussendlich versuchen wir doch alle nur, ein gigantisches Loch in uns zu füllen. Anstatt mit Erinnerungen, versuchen wir es mit Zeug zu füllen. Aber eigentlich ist es egal, wo wir sind, es ist nur bedeutend, wer bei uns ist. Wenn das wirklich der Fall ist, sollte ich sofort nach Hause gehen, meine Familie einsammeln und MIT ihnen verreisen.
GETADDICTED: Gute Überleitung: Wie kombinierst du das Tourleben mit deiner Familie?
Frank: Oh, keine Ahnung. Diese Frage macht mich traurig, aber das ist in Ordnung. Es ist eine geschickte Balance, die ich noch nicht wirklich gefunden habe. Ich liebe was ich mache, aber ich hasse, was ich mache. Dafür, dass ich die beiden Seiten von mir gerne sauber trennen würde, also der Ehemann/Vater und der Künstler, sind sie doch zu stark miteinander verbunden. Ich muss kreativ sein, um glücklich zu sein. Ich hasse es, aber es ist wahr. Wenn ich schon von zu Hause weg bin und auf Tour sein MUSS, will ich jede Sekunde genießen. Ich stopfe einfach alles in diese Zeit rein, was ich kann. Ich habe ein paar Tage frei? Ich würde diese Zeit niemals verschwenden, sondern mache was daraus.  So rechtfertige ich zumindest, von zu Hause weg zu sein. Falls es überhaupt einer Rechtfertigung bedarf. Außerdem ist alles, was ich mache, auch irgendwie für sie. Das bestärkt mich natürlich in meinem Tun, aber trotzdem ist es traurig von ihnen getrennt zu sein.
GETADDICTED: Waren sie nicht froh, als sich My Chemical Romance aufgelöst haben? Und dann hast du einfach eine neue Band gestartet.
Frank: Haha, ja! Aber wie man sieht: Das ist alles, was ich je gemacht habe. Ich bin in Bands, seit ich elf Jahre alt bin und toure, seit ich 17 Jahre alt bin. Ich habe mal in einem Supermarkt gearbeitet, aber das war es auch. Ich habe keine anderen Talente. Ich weiß einfach nicht, was ich sonst machen soll.