Interview mit Death By Stereo 2006

Dieser Mann grinst, wenn er Akkordläufe auf seiner Gitarre schrubbt und auch, wenn er sich Metal-Soli aus den Fingern saugt. Daher war klar, dass Dan auch das Interview mit einem breiten Grinsen führt.

Und natürlich sind auch die Antworten von Gitarrist Dan Palmer entsprechend: Musiker sind faul, Blink-182 können nicht spielen – und andere Nettigkeiten.
GETADDICTED: Ich hab vor ein paar Tagen mit zwei Bekannten über das Konzert heute geredet. Der eine meinte, ihr seid arrogante Poser, der andere sagte: „Tief in ihrem Herzen sind es aber nette Jungs.“ Wer hat Recht?
Dan: Arrogante Poser! Klar ! (lacht) Nein ehrlich: Wir sind wahrscheinlich Poser, aber nicht arrogant. Wir versuchen zumindest, nicht arrogant zu sein.
GETADDICTED: Und warum Poser?
Dan: Wir machen eigentlich nicht auf Poser, aber manchen Leuten mögen wir so erscheinen, dass kann schon sein. Nebenbei: Das ist uns aber auch völlig egal. (lacht) Wir versuchen zu allen, mit denen wir Kontakt haben, nett zu sein. Wir sind ein bisschen daneben manchmal, vielleicht waren wir auch zu betrunken, dann kann das schon mal so rüberkommen. Aber meistens sind wir ziemlich umgänglich.
GETADDICTED: Als ich im Internet ein bisschen über euch recherchiert hab, bin ich auch einige Links gestoßen, die zu www.deathbystereo.net führten. Da steht dann „Into the valley of death – out now!“ (Das so betitelte Album erschien 2004, Anm.).
Dan: Das war unsere alte Seite, unsere neue ist schon seit langem – wie du ja gesehen hast – deathbystereo.com. Wir wollten da immer einen Redirect auf unsere neue Seite haben, aber irgendwie haben wir das bisher noch nicht hingekriegt. Vielleicht auch, weil wir einfach arrogante Poser sind und da keinen Bock drauf haben. Uns doch egal (lacht).
GETADDICTED: Dabei wird das Internet ja immer wichtiger für Bands, um sich darzustellen.
Dan: Das auf jeden Fall. Viele Leute schreiben uns Emails über unsere Seite oder schreiben Nachrichten bei Myspace. Wir versuchen, die alle zu beantworten. Aber manchmal wird das auch alles ein bisschen viel. Manche schreiben auch einfach nur: „Ich habe euch da oder da gesehen, ihr wart cool“, und was soll man den Leuten dann da jedes Mal antworten? Aber das ist trotzdem toll, weil man viel mehr Kontakt mit den Fans hat, mit Leuten auf der ganzen Welt!

Ich habe nie Dämonen, Zauberer oder sonstige schräge Viecher getroffen.

GETADDICTED: Merkt ihr einen großen Unterschied an Feedback, wenn ihr gerade in Deutschland oder Europa seid, als wenn ihr „zuhause“ in den USA tourt?
Dan: Es ist immer so, dass wir viel mehr Nachrichten kriegen, wenn wir auf Tour sind, als wenn wir zuhause sind, ohne Konzerte zu spielen. Da kommen dann Kommentare von: „Ihr wart gestern total super“ bis „Das war grauenhaft gestern“. (lacht) Die meisten Nachrichten haben wir mal nach einer Show bekommen, bei der die Leute sich angefangen haben zu prügeln. Da haben wir aufgehört zu spielen, haben denen gesagt, die sollen gefälligst aufhören und sich benehmen. Da haben wir sehr viele positive Nachrichten gekriegt. Natürlich schreiben auch immer mal Leute: „Ausverkauf“, „Ihr seid doch scheiße“.
GETADDICTED: Beantwortet ihr auch solche Zuschriften?
Dan: Wie gesagt, wir versuchen, immer alle Zuschriften zu beantworten. Aber solche fallen dann am ehesten weg. Aber wir hatten mal einen ganz krassen Fall. Wir haben ja einen Song der „Emo Holocaust“ heißt – und das ist natürlich nur ein Witz. Wir dachten, es wäre klar, dass wir nicht jeden, der Emo ist, töten wollen. Da hat uns ein Mädel geschrieben: „Was soll das? Mein Bruder fand euch total super. Aber jetzt sagt ihr so was wie ‚Death to Emos’ oder ‚Emo Holocaust’ und er bezeichnet sich selber als Emokid! Er hasst euch jetzt, weil er denkt, ihr wollt, dass er stirbt. Ihr seid genau so schlimm wie die Nazis“. Da hab ich nur geschrieben: „Willst du mich verarschen? Das ist doch nicht ernst gemeint!“. Die Leute tendieren immer dahin, den Witz nicht mitzukriegen. Vielleicht sind wir auch deshalb arrogante Poser.
GETADDICTED: Death By Stereo wird ja immer als Mix aus Hardcore, Punk und Metal beschrieben. Wo siehst du den entscheidensten Unterschied zu allem, was als „Metalcore“ firmiert?
Dan: Wir sind auf jeden Fall mehr Punk als die meisten, da liegen unsere Wurzeln. Manchmal sind wir zwar heavier als die meisten Punkrock-Bands, aber unsere Werte und Ideale sind total Punk, DIY und so. Der Rest ist einfach, weil wir Iron Maiden-Fans sind.
GETADDICTED: Efrem hat in einem Interview gesagt, dass Metal-Bands nur über Dämonen und Schwerter singen würden.
Dan: Deswegen sind wir ja auch mehr Punk: Wir haben keine Ahnung von Dämonen und können auch nicht darüber singen. Ich habe nie Dämonen, Zauberer oder sonstige schräge Viecher getroffen.
GETADDICTED: Ihr nennt meistens drei Bands, die exemplarisch für jede der drei Musikrichtungen stehen – Bad Religion, Sick Of It All und Iron Maiden. Alle drei Bands sind schon verdammt lange dabei. Warum sind sie heute immer noch wichtig? Für dich und generell? Fangen wir mal mit Bad Religion an.
Dan: Mit Bad Religion bin ich – wie so viele andere – zum Punkrock gekommen, das war damals mit der „Suffer“. Ich habe sie damals live gesehen, sie hatten großartige Songs, gute Texte, coole Melodien – sie waren einfach verdammt gut. Das hat einen Jungen wie mich damals unglaublich inspiriert und eingefangen. Und ich glaube, dass Bad Religion heute immer noch wichtig sind, weil sie das heute immer noch tun. Mittlerweile haben wir mit ihnen zusammen gespielt und festgestellt, dass sie auch noch nette Leute sind.
GETADDICTED: Ist das dann nicht auf der wahr werdende Traum, wenn man dann auf Mr. Bretts Label Epitaph landet?
Dan: Das ist verrückt! Brett hat uns damals zum Essen eingeladen. Ich hab meinen Freunden gesagt: „Ich gehe mit Brett Gurewitz essen“. Und alle haben mich nachher aufgeregt gefragt, wie es war. Klar, wenn man die schon als Jugendlicher toll fand und dann mit Brett essen geht, ist das irgendwie aufregend. Das war natürlich etwas ganz besonderes. Trotzdem war es ein unheimlich „normales“ Essen, weil er einfach ein netter Typ ist.
GETADDICTED: Wie sieht’s mit Sick Of It All aus?
Dan: Im Prinzip das gleiche: Wir sind mit dieser Musik aufgewachsen, sie hat uns extrem geprägt. Und auch Sick Of It All mag ich bis zum heutigen Tag. Mit denen waren wir auch schon mal auf Tour und es sind ebenfalls umwerfend nette Leute. Ich würde sagen, Sick Of It All ist eine der besten Bands überhaupt.
GETADDICTED: Als letzte dann Iron Maiden.
Dan: Eigentlich bin ich gar nicht der große Iron Maiden-Fan an sich, aber ich liebe ihr Gitarrenspiel. Aber ich höre immer sehr viel unterschiedliche Musik. Meine beiden Lieblingsbands sind The Clash und The Police. Meine Eltern hören Klassik, mein Vater steht aber auch auf Suicidal Tendencies, daher bin ich mit sehr unterschiedlichen Stilen aufgewachsen. Und an Iron Maiden kommt man dann einfach nicht vorbei.

Blink-182 waren schrecklich

GETADDICTED: Wir sind hier in der Zeche Carl, ein Laden, der in den letzten Jahren sehr viele Konzerte erlebt hat. Hier haben sehr unterschiedliche Bands gespielt. Manche sind danach schwer erfolgreich geworden (Die Bloodhound Gang spielte hier vor 250 Leuten, als Support waren die Guano Apes da), andere sind immer noch auf dem gleichen Popularitätslevel, bei anderen ist das eher gesunken. Ihr habt ja zum Beispiel mit Good Riddance hier gespielt, und bei denen hab ich das Gefühl, dass sie nicht mehr so populär sind wie damals noch.
Dan: Ja, das ist fünf Jahre her oder so. Wenn man das vergleicht: Sie waren nie so groß wie etwa Bad Religion. Von denen werden Songs im Radio gespielt, die werden da behandelt wie eine normale Rockband. Das hatte Good Riddance nie. Da haben die ein größeres Verbreitungsgebiet. Das hilft besonders, wenn man sich das Musikbusiness heute anschaut: Good Riddance haben eine Pause gemacht. Und in der Zeit touren heutzutage so viele Bands, es wird so viel Musik übers Internet vertrieben – da gerät man schnell in Vergessenheit. Ich glaube dadurch beschäftigen sich die Leute heute viel kürzer und gar nicht mehr so intensiv mit einer Band wie früher, weil sie viel schneller an viele andere rankommen. Bands, die aber vor 15-20 Jahren erfolgreich waren – wie eben Bad Religion, Sick Of It All oder Iron Maiden eben auch – die haben einen Fanstamm, der sich richtig intensiv mit der Band beschäftigt hat. Da ist ein Riesenunterschied. Da stellt sich nur die Frage: Bestehen die den Test der Zeit? Kommen die in diesem schnelllebigen Business zurecht? Man wird’s sehen.
GETADDICTED: Eine andere Band, die ich hier mal gesehen habe, war Blink-182 – als Support von Lagwagon und Pulley.
Dan: Jajaja! Das ist witzig, weil unser Bassist das vorhin auch noch meinte. Er war bei Pulley und hat davon noch erzählt: Blink-182 waren schrecklich da! Sie haben sich ohne Ende verspielt, mussten dauernd ihre Instrumente stimmen, der Gesang stimmte nicht – es muss schlimm gewesen sein bei der Tour. Warum die letztlich so abgegangen sind, kann eigentlich keiner sagen. Das verstehen viele bei uns drüben auch nicht, und da sind Blink eine Riesenband. Und es gibt dann da auch Riesenunterschiede: Boysetsfire sind hier eine große Band, in den USA überhaupt nicht! Schade auch, dass sie sich aufgelöst haben.
GETADDICTED: Ihr seid dagegen eine Band, die hier vor ein paar Jahren gespielt hat, und heute quasi wieder hier spielt, und – um es nett auszudrücken – ausverkauft ist der Laden ja nicht gerade.
Dan: Nein klar! Wir kommen einfach viel zu wenig und zu selten nach Europa. Da dürfen wir nicht mit vollen Läden rechnen. Wir versuchen das aber zu ändern. Und in den USA touren, touren, touren, touren wir ja.
GETADDICTED: Ist das nicht deprimierend, wenn man sieht, dass ihr unterwegs seid die ganze Zeit, und dann kommen so Hampelmänner wie Blink-182, spielen eine – wie du sagst – schreckliche Tour und kriegen dann einen Majorvertrag?
Dan: Ich bin da nicht neidisch auf andere Bands. Ich bin zufrieden mit der Art, wie es läuft. Da gäbe es so viele andere Sachen, über die ich mich dann ärgern müsste. Guck dir Green Day an. Ich spiele mit Sicherheit besser Gitarre als Billy Joe. Aber das muss ja nicht heißen, dass wir größer sein müssen. Green Day sind melodischer, eingängiger, sie sehen auch besser aus als wir. Sie singen über Mädels, Sachen, die jüngere Kids interessieren. Wir singen über Priester, die Kinder missbrauchen – da haben sie einfach eine bessere Chance. Wir können besser, als wir es im Moment sind, aber okay. Ich bin zufrieden. Ich kann alles machen, was ich immer wollte: Ich bin auf Tour, ich fahr nach Europa, ich war dieses Jahr in 19 Ländern, darunter, Neuseeland, Mexiko, Costa Rica, Australien. Wer kann das schon so leicht?
GETADDICTED: „Ein schlechter Tag auf Tour ist besser als ein guter bei der Arbeit“.
Dan: YES! Definitiv! Ich wollte immer Musik machen als Kind schon, und jetz mache ich das. Ich könnte auch in einem Büro arbeiten, von neun bis fünf. Ich hätte mittags ein nettes Gespräch mit Kollegen, vielleicht einen geschäftlichen Erfolg. Und was gibt mir das? Musik ist meine Leidenschaft! Das wollte ich immer und will es immer noch!
GETADDICTED: Jesse von Lagwagon hat mal gesagt, dass er das ganze noch eine Zeit lang machen will und sich dann einen richtigen Job sucht. Sind Musiker nicht doch faule Säcke?
Dan: Ja! Klar! Na gut, manchmal sind wir etwas müde auf Tour. Wir wachen auf, sind müde und müssen weiterfahren. Aber ansonsten ist das als Job gesehen doch ein Witz: Wir hängen mit Freunden rum, trinken Bier, machen das, was wir wollen, wir kriegen essen umsonst. Das ist doch keine Arbeit! Zuhause im Studio, wenn du Songs schreiben, aufnehmen musst und Druck hast – das ist ein Job. Aber touren doch nicht! Die Business-Seite mit Rechnungen, Planungen und so, das ist auch Arbeit. Aber touren? Das ist keine Arbeit.
GETADDICTED: Aber das ganze Leben geht das ja nicht wirklich. Hast du da schon Pläne?
Dan: Hab ich mir Gedanken drüber gemacht. Wenn ich irgendwann zu alt werde fürs touren, dann möchte ich in Las Vegas in einer schlechten Coverband spielen. Das wär mein Traum!
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