Interview mit Simple Plan

Simple Plan veröffentlichten gerade ihr fünftes Album. Wir sprachen mit Gitarrist Seb über’s älter werden und den schmalen Grad zwischen Pop und Pop-Punk.
GETADDICTED: Wer will denn so alte Säcke wie euch halbnackt im Booklet sehen?
Seb: Anscheinend einige Leute. Deshalb auch das Video für „I Don’t Wanna Go To Bed“. Besonders mit steigendem Alter wird sowas immer lustiger. Auch wenn wir unsere Musik sehr ernst nehmen, nehmen wir uns selbst nicht besonders ernst. Wenn das heißt, dass wir uns dämlich anziehen für das Booklet oder eine Baywatch-Hommage filmen und das einige Leute zum Lachen bringt, dann ist das doch super. Wir waren da immer sehr verspielt, auch bezüglich unserer Albumtitel. Jetzt noch unsere Ärsche in die Kamera zu halten, setzt nur noch einen drauf.
GETADDICTED: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Albumtitel „Taking One For The Team“ und den Songs auf dem Album?
Seb: Ich glaube der Albumtitel hat eher einen Zusammenhang zur Band. Es ist lustig, weil es die Fotos vor dem Albumtitel gab, aber sie uns noch mal in der Idee bestärkt haben. Wir sind jetzt seit 17 Jahren eine Band und das ist unser fünftes Album. So lange in einer Band zu sein, wie wir es sind, ist fast so, wie in einem Sportteam zusammen zu kämpfen für gemeinsame Ziele. Es geht hier nicht um einen von uns, sondern darum, was die Band als Ganzes schafft. Deswegen haben wir uns für diesen Titel entschieden. Natürlich muss man manchmal etwas opfern, aber es ist immer für etwas Größeres als man selbst, für die Band. Wenn ich etwas nicht machen will, es aber gut für die Band ist, dann mache ich es trotzdem, um die Sache am Laufen zu halten. Das schulden wir den Fans und uns selbst. Es ist keine Option einfach aufzugeben, also müssen wir manchmal Kompromisse finden.
GETADDICTED:I Don’t Wanna Go To Bed“ und „Boom“ wurden etwa zur gleichen Zeit bekannt in Deutschland. Und die Songs sind so unterschiedlich. Wie kommt‘s?
Seb: Leider spielen viele Radiosender keine Rocksongs mehr. Wenn wir also nur „Boom“ veröffentlicht hätten, wären wir damit nicht weit gekommen. Wir haben einfach das Beste aus beiden Welten, um das Beste aus unserer Band zu machen. Wir können die Warped Tour spielen, aber auch mit einem Pop-Song im Radio laufen. Wir brauchen die Radio-Songs einfach, damit wir größere Touren spielen können und im Gespräch bleiben, aber wir wollen natürlich auch die Band bleiben, die wir immer waren.
GETADDICTED: Die Songs mit Feature auf dem Album haben einen anderen Sound als ihr eigentlich habt. „Farewell“ nicht, da Jordan Pundik von New Found Glory aus dem gleichen Genre kommt, aber die anderen schon. Wie kommt das?
Seb: Wir haben schnell bemerkt, dass wir bei Gastsängern auch deren Musik einfließen lassen wollen. Wir haben einfach etwas Neues ausprobiert, weil es sich angeboten hat. Wenn wir also einen Pop-Song wie „I Don’t Wanna Go To Bed“ machen, wollen wir es auf die Spitze treiben. Wir wollten unbedingt Nelly haben, weil man sofort hört, dass es er ist. Er ist ein sehr melodischer Rapper. Ich weiß nicht mal, ob er sich selbst als Rapper bezeichnet, weil er eigentlich eher singt. Das gleiche gilt für „Summer Paradise“. Wir wollten mehr von diesen Songs. Einen Künstler einzuladen auf einem Song mitzusingen, bringt gleichzeitig einen Teil seiner Musik mit und bringt unsere Musik somit auf ein ganz neues Level.  Das ist eine großartige Chance für uns als Musiker. Außerdem ist es toll, endlich einen gemeinsamen Song mit New Found Glory zu haben, die wir jetzt über 15 Jahre kennen.
GETADDICTED: Welche „neue“ Pop-Punk-Band ist dein Liebling?
Seb: Da gibt es viele. Ich habe ja eine Radioshow auf Idobi Radio, die „Man Of The Hour“ Show, und so habe ich die ganze Szene gut im Auge. Die Leute sagen, dass Pop-Punk ein Comeback feiert und es ist wahr: Das Genre wird bekannter. Ich habe immer Songs, die ich spielen kann. Da gibt es die cooleren Bands, wie Neck Deep und State Champs. Und dann gibt es noch Bands, die sich wirklich von den Wurzeln der Musikrichtung beeinflussen lassen und sie sich zu Eigen machen, wie The Maine. Die sind ja schon fast eine Alternative-Band, aber sie passen trotzdem in diese Pop-Punk-Welt, weil sie einige Songs haben, die eben genau in diese Schublade passen. Und so entwickelt sich der Pop-Punk weiter.
GETADDICTED: Wird es eine Fortsetzung von „A Big Package For You“ geben?
Seb: Es ist uns generell sehr wichtig, gute Bilder und Videos zu haben. Unsere Fans lieben die Möglichkeiten der neuen Medien. Und klar, jeder fragt wann die nächste DVD rauskommt, aber alles was wir filmen, endet auf unserer Homepage, auf Instagram und auf Snapchat. Wir haben nichts in der Hinterhand, ihr habt alles schon gesehen. Vielleicht machen wir ein Best Of, aber etwas Neues können wir nicht bieten, da alles direkt online geht. Wir wissen ja, dass unsere Fans sowas gerne sehen. Vor ein paar Jahren haben wir deswegen auch eine komplette Show in Australien gefilmt und veröffentlicht. Das ist noch mal was anderes.
GETADDICTED: Simple Plan war immer eine Band, die sich für Outsider und Jugendliche eingesetzt hat, die nicht wirklich einen Platz im Leben haben. Wie kann man sich selbst lieben, wenn es niemand anderes macht?
Seb: Ich glaube es gibt viel mehr Leute, die anders sind, als Leute, die normal sind. Wenn man sich selbst seltsam findet, muss man sich nur mal umschauen und man findet direkt jemanden, der noch seltsamer ist. Wir verbreiten Hoffnung mit unserer Musik, nicht aufzugeben und sich nicht zu ändern, nur weil andere das vielleicht wollen. „I Refuse“ vom neuen Album ist da ein gutes Beispiel: Lass dich nicht unterkriegen und lass dir nicht sagen, was du mit deinem Leben anfangen sollst. Man sollte auf sowas einfach nicht hören und seinen Weg finden. „Opinion Overload“, „Shut Up“ und „Me Against The World“ waren auch so Songs. Aber es geht immer um Hoffnung, nie um den Kampf oder die Orientierungslosigkeit, die so eine Situation mit sich bringt. Man sollte den Blick nach vorne richten und zu dem stehen, was man macht und wer man ist. Es ist immer schwierig, eben wegen dieser Meinungsüberflutung. Das Internet eröffnet jedem die Chance sich frei zu äußern; und das natürlich nicht immer positiv. Es ist schwer sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Wie kommt man denn eigentlich auf die Idee, dass niemand einen liebt oder mag? Ist es, weil man denkt, dass es so ist oder weil alle anderen andere Dinge mögen? Instagram ist zum Beispiel nicht das echte Leben. Es sind ausgesuchte Momente, die besten Eindrücke aus einem Leben… Das vergessen viele. Niemand postet ein Bild von sich, wenn er krank ist oder einen schlechten Tag hat. Die meisten meiner Fotos sind auf der Bühne. Da verbringe am wenigsten von meinem Tag. Es ist sehr einfach zu behaupten, dass dich niemand mag und sich der Welt zu verschließen. Es ist wesentlich schwieriger zu sich zu stehen und zu sagen: „Ich bin, wer ich bin und mache, was ich will“.