Populistische Kackscheisse: Punk, komm raus aus deiner Filter Bubble!

Donald J. Trump wird 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Entsetzen, Schnappatmung. Erstmal hinsetzen, sacken lassen und die Nachricht verdauen. Und dann raus aus deiner Filter Bubble, Punk! Ein Kommentar.
Was machen wir jetzt? Locker bleiben und Propagandhi hören. Oder American Nightmare. Oder Modern Life Is War. Oder oder.
Abreagiert? Gut.

Locker bleiben und Propagandhi hören.

Du darfst dir sicher sein, so wie dir erging es vielen. Du bist nicht allein. Vielleicht hast auch du in deinem Freundes- und Bekanntenkreis, oder digitalen Newsfeeds, nichts anderes gehört oder gelesen als „Entsetzen, Fassungslosigkeit, Schockstarre.“ Wenn dem so ist, dann erging es dir wie mir.
Niemand, mit dem ich geredet, geschrieben oder dessen Social-Media-Posts ich gesehen habe, hätte diesen Wahlausgang für möglich gehalten. Meine gesamte soziale Filter Bubble, digital wie analog, hätte sich am Anfang dieser Woche noch eher eine Hand abhacken lassen, als das jemand auf den Wahlsieg eines rassistischen, sexistischen und homophoben Präsidentschaftskandidaten gesetzt hätte. So kann man sich täuschen – und täuschen lassen.
Wenn du diesen Kommentar liest, dann bist du wahrscheinlich Teil dieser Filter Bubble, die seit drei Tagen versucht, aus einem real geworden Albtraum aufzuwachen. Leider wird das nicht klappen, Donald Trump ist gewählter Präsident der USA. Realsatire hin oder her, die Welt und du müssen sich mit diesem Ergebnis abfinden – und die Schlüsse daraus ziehen. Natürlich hat der Wahlausgang in den USA keine unmittelbaren Konsequenzen für uns im wohlbehüteten Deutschland. Wahrscheinlich ist auch, dass man diese Entwicklung nicht eins zu eins auf die kommende Bundestagswahl übertragen kann. Fest steht aber, dass wir uns damit abfinden müssen, dass es offenbar in großen Teilen der (westlichen) Gesellschaft eben nicht Usus ist, konsequent gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie einzustehen. Unsere Filter Bubble macht uns das nur vor. Unsere Filter Bubble spielt schöne heile Welt.

Punk ist nicht mehr als ein wandelnder Zombie?

Was das alles mit Musik zu tun hat? Vielleicht eine Menge. Letztens beim Bad Religion-Konzert in München habe ich noch gedacht: Wo bin ich denn hier gelandet? Was soll das Ganze noch? Haben diese alten Männer da auf der Bühne eigentlich noch irgendetwas zu sagen? Und wenn ja, kommt deren vermeintliche „Message“ überhaupt noch vor der Bühne an? Ich meine, mal ganz ehrlich: Ich stehe in Bayern, einem Bundesland, das – gefühlt – seit immer von einer christlichen Partei regiert wird, die mit populistischen Parolen auf Stimmenfang am rechten Wählerrand geht und singe ungehindert Lieder einer Band mit, die als Bandlogo ein durchgestrichenes Kreuz hat und unter dem Namen „Bad Religion“ Musik veröffentlicht. Es standen nicht mal Zeugen Jehova oder so vor der Tür. Niemanden hat sich daran gestört!
Jetzt kann man sagen: „Wir leben im Jahr 2016, Kunstfreiheit und so, warum sollte das jemanden stören?“ Schon klar! Trotzdem beschlich mich der Eindruck, dass die Veranstaltung nur noch als reine Unterhaltung wahrgenommen wurde. Billige Folklore ohne Aussage. Und am nächsten Tag wird wieder schön Markus Söder zugestimmt. Is‘ klar! Punk ist dann nicht mehr als ein wandelnder Zombie. Ein Untoter, der nur noch am Leben erhalten wird, weil eine Hand voll Menschen nicht mehr gelernt hat, als mit Instrumenten auf einer Bühne zu stehen. So ähnlich habe ich auch die Band-Reunion-Welle der letzten Jahre wahrgenommen: Keine Frage, natürlich will ich (Black) Flag, Misfits, Gorilla Biscuits, Descendents, Judge, Refused, Kid Dynamite, Good Riddance oder American Nightmare live sehen. Es schwingt aber auch immer eine gewisse Skepsis an solchen Wiedervereinigungen mit. Nach dem Motto: „Band-Reunions laufen finanziell gerade gut? Machen wir halt auch mit! Hast du noch einen Bass irgendwo rumstehen?“

Punk ist alles das, für das Donald Trump nicht steht

Was ich eigentlich sagen will: Gerade bin ich froh, dass da draußen Leute auf Konzerte von populären Bands wie NOFX, Bad Religon, Green Day oder auch den Foo Fighters gehen, die Lieder der Bands mitsingen und sich ihre Ansagen anhören. Ich bin froh zu sehen, dass selbst im konservativen Bayern solche Konzerte ohne Probleme für Veranstalter, Bands und Zuschauer veranstaltet werden können. Ich bin froh, wenn Bands wie (Black) Flag auf der Bühne stehen und zeigen, dass Punk keine Altersgrenzen kennt. Und ich bin froh, dass das, was Punk ausmacht, offenbar nicht tot ist.
Punk ist schon lange nicht mehr nur mit bunten Haaren und Tattoos auffallen zu wollen. Punk ist auch nicht mehr das System zu ficken und gegen alles und jeden zu rebellieren. Punk ist schon lange nicht mehr nur besoffen auf der Straße zu sitzen und zu hartzen. Punk ist doch heute vielmehr ein aufgeklärtes, skeptisches und (selbst-)kritisches Weltbild mit einem eindeutigen, inkludierenden Wertekanon zu vertreten. Punk ist alles das, für das Donald Trump nicht steht. Punk ist alles das, was die aufkeimenden, rechtspopulistischen Bewegungen, auch in Europa, nicht sind: Ganz klar gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus.

Was das alles mit der Filter Bubble zu tun hat? Wenn ich das alles richtig deute, dann freue ich mich jetzt schon richtig auf die Präsidentschaft von Donald Trump, die politischen Diskussionen über Rechtspopulismus in Europa und das nächste Green-Day-Konzert oder Bad-Religion-Album. Wenn ich das alles richtig deute, dann werden politische Statements und Aktionen von Bands wieder deutlich zunehmen und mehr Menschen werden diese Botschaften verbreiten. Warum? Weil`s nötig ist – und du sonst auch zu Helene Fischer gehen kannst! Fat Wreck Chords, Green Day oder Stick To Your Guns haben bereits angefangen, der Wahlkampf 2020 hat begonnen. Ich freue mich, auch wenn der Weg aus der eigenen Filter Bubble heraus beschwerlich sein wird; er ist definitiv nicht unmöglich. Am einfachsten wird es wahrscheinlich mit Musik. Oder um mit Henry Rollins zu schließen: „All I can do is laugh at the insanity that is to come.“